Michael Kohlhaas Hybris/Übermut

Michael Kohlhaas durchläuft das Stadium vom „rechtschaffensten“ Menschen zum „entsetzlichsten Menschen seiner Zeit.“ Dabei zeigt er deutlich eine Hybris/Übermut. So sieht er sich selbst auf der Höhe seines Kampfes gegen den Junker als ein „gottesgleiche Wesen“ an. So sieht er sich beispielsweise als Statthalter Michaels und hat 12 Knechte (12 Jünger).

Schon früh in Kleists Werk wird auf Kohlhaas Hybris hingewiesen bzw. sie wird angedeutet. So erwidert Kohlhaas treuster Knecht Herse auf Kohlhaas Anschuldigung, dass er nicht mit Herse zufrieden ist:

da habt ihr Recht, Herr! antwortet er; denn einen Schwefelfaden, den ich durch Gottes Fügung bei mir trug, um das Raubnest, aus dem ich verjagt worden war, in Brand zu stecken, warf ich, als ich ein Kind darin jammern hörte, in das Elbwasser, und dachte: mag es Gottes Blitz einäschern; ich will es nicht! (S. 11, Z.18 ff.)

Tatsächlich wurde später die Tronkenburg um die es hier geht eingeäschert. Allerdings nicht durch „Gottes Blitz“, sondern durch Kohlhaas Hand!

Auch Kohlhaas Frau Lisbeth scheint Kohlhaas Hybris zu Unterstützen, fast schon herauf zu beschwören:

dass es ein Werk Gottes wäre, Unordnungen, gleich diesen, Einhalt zu tun;

Die erste Überhöhung seiner selbst zeigt Kohlhaas dann bei Lisbeth Beerdigung, die „weniger für sie, als für eine Fürstin, angeordnet schien.“ (S. 25, Z. 5)

Anschließend beim Überfall auf die Tronkenburg schreibt Kleist als Beschreibung von Kohlhaas:

Der Engel des Gerichts fährt also vom Himmel herab; (S. 26, Z. 14 ff.)

Als Kohlhaas dann auch noch Leipzig in Brand stecken lässt, befindet er sich auf dem Höhepunkt seiner Macht. Er selbst bezeichnet sich in einem Mandat als:

„einen Statthalter Michaels, des Erzengels, der gekommen sei, an allen, die in dieser Streitsache des Junkers Partei ergreifen würden, mit Feuer und Schwert, die Arglist, in welcher die ganzen Welt versunken sei, zu bestrafen.“ (S. 35, Z.21 ff.)

Seine vollkommene Entrückung beweist auch die Unterzeichnung:

Gegeben auf dem Sitz unserer provisorischen Weltregierung, dem Erzschlosse Lützen. (s.35, Z. 30 ff.)

Gegen Kohlhaas Hybris bringt Kleist nun Martin Luther ins Spiel. So schreibt Kleist, dass Luther Kohlhaas wieder „in den Damm der menschlichen Ordnung“ (S. 36, Z. 30) zurückdrückt, in dem er „auf ein tüchtiges Element in der Brust des Mordbrenners“ (S. 36, Z. 31) baut.

Bevor Luther aber Kohlhaas ausbremsen kann, läuft dieser noch einmal auf „Hochtouren“ auf. Kohlhaas ist nun Richter und Vollstrecker zugleich. Er verurteilt ein paar Knechte, da diese geplündert haben und möchte sie dafür hinrichten. Sein Auftritt zeigt seine ganze Entrückung.

[…] ein großes Cherubsschwert, auf einem rotledernen Kissen, mit Quasten von Gold verziert, ward ihm vorangetrage, und zwölf Knechte , mit brennenden Fackeln folgten ihm […]

Diese Szene liest sich wie eine regelrechte Prozession, der entrückte Kohlhaas mit all den geschichtsträchtigen Symbolen, begleitet von zwölf Knechten, deren Anzahl nicht zufällig den zwölf Jüngern Jesu entsprechen.

Übrigens ist Michael im Alten Testament nicht nur einer der vier Erzengel, sondern der Name stammt aus dem Hebräischen und bedeutet übersetzt: „Wer ist wie Gott?“

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